Donnerstag, 27. September 2012

Verantwortung

Das Wort Verantwortung ist für mich das gefühlte Pendant zu Entscheidung - ich mag es nicht, und es macht mir Angst! Und darum schiebe ich es lieber weit von mir weg, für gewöhnlich. Dummerweise geht das nicht immer, und ist wieder einmal so verdammt unerwachsen, dass ich mir schon wieder kindisch vorkomme. Die meisten Kids an ihrem 18. Geburtstag - und ich schließe mich dabei nicht aus - sind schließlich furchtbar stolz auf ihre lang herbeigesehnte Volljährigkeit und die Erlaubnis, hiermit eeendlich für immer und ewig ganz allein für sich selbst und das eigene Leben verantwortlich sein zu dürfen. Hach, wenn ihr wüsstet!

Manchmal ist Verantwortung ja auch ganz nett, zugegeben. Aber um diese Sichtweise zu gewinnen, muss ich mich erstmal der Aufgabe gewachsen fühlen, vor der ich stehe. Ich brauche das Gefühl, dass ich es schaffen, die Aufgabe bewältigen kann. Und wenn nicht, dann wirkt sie auf mich nur mehr wie ein unüberwindbarer steiler Berg. Mir geht es so beispielsweise mit dem Gedanken an die Mutterrolle, oder den ersten festen Job. Ich will ja, aber.... Ja aber! Was aber? Was wenn ich scheitere? Was, wenn ich etwas falsch mache? Fuuurchtbar, nicht auszudenken!

Ich weiß, dass ich im Leben nichts erreichen kann, wenn ich mich der Übernahme von Verantwortung entziehe. Ungeachtet dessen, dass dies mit zunehmendem Alter ohnehin immer schwieriger wird. Und dass, wenn ich es tue, ich damit bestenfalls anderen die Last meiner abgegebenen Verantwortung aufbürde, und im  schlimmsten Fall mit den Konsequenzen dieses Tuns ganz allein dastehe. Ich weiß auch, man wächst mit seinen Aufgaben. Und alle haben mal klein angefangen. Und Scheitern ist kein Weltuntergang. Und das Leben geht weiter. Und so weiter. Trotzdem bin und bleibe ich ein Schisser - warum, wer weiß es.

Mit 11 setzte man mich alleine in einen Zug zu einer Freundin. Beim Umsteigen nahm ich den falschen Anschluss, und landete dort, wo ich nicht hinwollte. Und kam dann nach mehreren Stunden des Bangens, Durchfragens und Suchens - damals noch ganz altmodisch ohne eigenes Handy, Deutsche Bahn-App und GPS, versteht sich - trotzdem irgendwie an. Ist das schon Verantwortung? Sich um sich selbst kümmern und darum, dass man aus ureigener Kraft die eigenen Ziele erreicht - schon allein deshalb, weil andere es einem immerhin auch zutrauen? Jedenfalls ist es die grundsätzlichste von allen, das Kümmern um sich selbst. Schließlich kann man sich ohne sie auch nicht um andere - ein Baby - oder um etwas anderers, wie eine Arbeit, kümmern.

Manchmal möchte ich mich einfach mutig selbst hineinwerfen können in die Verantwortungen des Lebens, ohne darüber nachzudenken, was dadurch mit mir oder mit anderen geschieht oder was dabei alles schief gehen könnte. Ja, mutig müsste man sein! Mein Mann ist in dieser Hinsicht gänzlich anders als ich. Er gibt sich dem Leben hin und vertraut darauf, dass es ihn in die richtige Richtung seiner Ziele führen möge. Natürlich nicht ohne das dafür notwendige eigene Zutun, aber mit einer gehörigen Portion Gelassenheit und Vertrauen, Vertrauen in sich selbst, die eigenen Fähigkeiten und das Werden der Dinge. Beneidenswert.

Aber man lernt ja nie aus, bekanntlich.
Mit Sicherheit gibt es diesem Thema Verantwortung noch so einiges hinzuzufügen - ich belasse es für heute dabei, stehe brav und verantwortlich zu meinem Text und lasse nun trotzdem auch die anderen mal machen. 

Herzlichst verantwortungsvolle/-lose Grüße, C.

Absence

Die letzten Monate waren eine Herausforderung. Sie sind es noch. Geprägt von Zweifeln, der Suche nach Wegen und Orientierung, Halt finden, Halt verlieren, wieder neu suchen. Weitergehen, stehen bleiben, inne halten - was will ich eigentlich? Wohin geht die Reise? Laufe ich überhaupt in die richtige Richtung? Was ist schon richtig - was ist mein richtig?

Nicht ganz leicht, über so etwas zu schreiben. Unsicherheit überhaupt. Nach meinem Gefühl sind Unsicherheit und Zweifel jeglicher Art heute verpönt. Man muss sich seiner Sache immer ganz sicher sein, "sein Ding durchziehen", dem Lebensweg folgen, den man schon seit Jahren genauso geplant hat - na klar, schließlich hat man schon seit Jahren seine Ziele fest im Blick und steuert ihnen, Praktikum um Ehrenamt um Nebenjob sammelnd und den Lebenslauf in ein und dieselbe Richtung zielstrebig aufbauschend, immerzu unumwunden entgegen.

Wer würde sich schon hinstellen und in die Welt hinausschreien, dass er keine Ahnung hat, wohin der Weg  eigentlich führen soll? Dass er sich vielleicht sogar einen Fehltritt erlaubt hat, oder einen Kurswechsel, der in sich womöglich auch wiederum seine Tücken offenbart, und es darum wieder neu auf die Suche zu gehen gilt? Peinlich, wie uncool! Mein Gott, wie kannst du nur nicht wissen, was du willst? In dem Alter! Wo doch andere schon Kinder haben, einen festen Job, oder wenigstens ein Haus! Mensch Kind, werd doch endlich erwachsen!

Ein solches Eingeständnis wirkt schwach, es macht angreifbar. Wer Zweifel hat, wirkt nicht stabil, wankelmütig, unsicher, lässt sich womöglich noch von anderen beeinflussen. Darum gibt sie niemand zu, und doch sind sie den meisten von uns vertraut. Sehr sogar, dessen bin ich mir sicher. Wer es wagt, seine Zweifel nach außen zu tragen, kann anderen Menschen nahe kommen, denn so wird er feststellen, dass er mit ihnen nicht alleine ist. Sicher möchte ich auch nicht vor jedem die Hüllen fallen lassen, ich bin vorsichtig geworden. Doch die Welt der glatten Fassaden aus Perfektion und strotzender Selbstsicherheit ist nicht die meine. Sie schüchtert mich nicht gerade ein, aber sie befremdet mich, denn der Mensch ist in meinen Augen nicht dies, was er hier zu sein vorgibt. Klar, Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich gehöre in jedem Falle nicht dazu.

Herzlichst, C.

Donnerstag, 26. April 2012

Entscheidungen

Entscheidungen überfordern mich. Heillos. Ich bin von der Sorte Mensch, der sich vor dem Regal im Einkaufsladen minutenlang mit der Frage beschäftigen kann, welches Shampoo oder welchen Käse er denn nun eigentlich will. Nach ausführlichem Hin- und Herdrehen nehme ich schließlich einen, laufe ein Stück weiter, mache dabei ein betont entschiedenes Gesicht, biege dreimal um die Ecke und lande schließlich möglichst unauffällig wieder vor demselben Regal, nur um den Käse gegen einen anderen zu tauschen. Bestenfalls. Manchmal lasse ich ihn auch einfach - oh Schande über mein Haupt - an einer x-beliebigen Stelle liegen, nehme dann lieber gar keinen anstatt mich noch einmal der vermeintlich schwierigsten Entscheidung meines augenblicklichen Lebens stellen zu müssen: Goudakäse oder Tilsiter?

Typisch Frau, sagt mein Mann. Typisch Überfluss-Generation, die Gesellschaft. "Wer die Wahl hat, hat die Qual", schreit es einem von jeder Ecke entgegen. "Was will ich eigentlich?!?", so schreit es in mir. Und damit meine ich nicht bloß den Käse, nein, den im Geringsten. Vielmehr geht es mir um Entscheidungen, die mich auf viele Jahre, wenn nicht sogar das ganze Leben lang prägen: Mit wem mein Leben verbringen (diese Frage hat sich Gott sei Dank erledigt - wie es dazu kam und wie lange es dauerte, hier vielleicht mal an anderer Stelle), was studieren, worin spezialisieren, wann Kinder (Kinder?), wo wohnen, und wie? Nicht genug damit, dass man einmal diese Entscheidung getroffen hat, denn vor vielen dieser Fragen steht man vermutlich immer und immer wieder.

Vielleicht kann man entscheiden ja lernen. Indem man dem ganzen nicht die allergrößte Bedeutung beimisst - theoretisch zumindest. "Die wenigsten Entscheidungen sind unumkehrbar", sagte mir einmal eine weise Frau. Recht mag sie haben, und in der Tat nimmt es mir ein Stückchen den Druck. "Fehlentscheidungen gehören zum Leben", sagen die, die es bereits erlebt haben. Aber muss ich die Erfahrung wirklich machen, mich falsch zu entscheiden? Und es im Nachhinein zu bereuen? Schlimmstenfalls auch die Kosten und Mühen auf mich zu nehmen, um den Weg nochmals zu ändern, und damit eindringlich die Konsequenzen für meine Fehlentscheidung zu spüren? Was heißt überhaupt "falsch", ist das nicht ohnehin immer relativ?

Fest steht, ich habe Angst vor Fehlentscheidungen. Immer noch, auch wenn ich bereits die ein oder andere schwerwiegende hinter mich gebracht habe. Und feststelle, ich lebe immer noch. Doch vor allem das heutige Angebot überfordert mich. Das Angebot an möglichen Berufswegen in den letzten Monaten am allermeisten, und das ironischerweise erst lange nachdem die Entscheidung bereits längst gefallen ist. "Ich hätte doch auch ...", so startet mein Gehirn beim Anblick der Stellenanzeigen, in denen alles und jeder gesucht wird, nur nicht ich. "Warum habe ich nicht...?" Entnervt und verunsichert klappe ich den Laptop zu. Wünsche mich trotzig zurück in die Zeit, in der Oma und Opa noch jung waren (aber nach dem Krieg, versteht sich), in der es für Oma noch nicht so viele Möglichkeiten gab, in der "Selbstverwirklichung" noch wie ein von weit hergeholtes Fremdwort in ihren Ohren klang und nicht wie ein gesellschaftlich auferlegtes Muss. Besonders für eine Frau. Und oft wünsche ich mir jemanden, der mir die Entscheidungen einfach abnähme oder ich es mir einfach machen könnte indem ich glaubte "Er da oben wird`s schon richten", das Schicksal entscheide letztlich doch ohnehin für uns alle.

Doch ist Flucht oder die Abgabe der Verantwortung nicht die Lösung, und ebenso wenig können wir noch wollen wir (in den meisten Fällen) die Zeit zurückdrehen oder uns freiwillig in Kulturkreise begeben, in denen das Treffen freier Entscheidungen keine Selbstverständlichkeit ist. Vielleicht ist es ja auch doch nicht so verkehrt, wenn ich versuche möglichst auf meinen Bauch und mein Herz zu hören, um mich in dem Dschungel aus Möglichkeiten und potentiellen Wegen zurechtzufinden. Nicht zwangsweise bedeutet ja auch jede Weggabelung das ausschließliche "Ja" oder "Nein", A oder B. Manchmal gibt es auch noch einen Zwischenweg. Hauptsache weiterlaufen, egal in welche Richtung. Denn das schlimmste Gefühl ergibt sich aus dem Verharren und Steckenbleiben zwischen den Möglichkeiten, aus Angst davor, nur nicht die falsche zu wählen. Das Leben auf diese Weise in die eigene Hand zu nehmen, gehört vermutlich zu den größten Überwindungen, aber auch Erfüllungen des Erwachsen-Seins. Ich hoffe, ich lerne es noch.

Herzlichst (un-)entschiedene Grüße, C.

Samstag, 21. April 2012

Von der Suche nach dem richtigen Platz

Plätze gibt es viele im Leben: den Platz zum Wohnen und Schlafen, den Platz zum Arbeiten, Plätze zum Austoben und zur Ruhe kommen, den Platz an der Seite der oder des geliebten Menschen. Jede Suche danach gleicht einem Wagnis, wissen wir doch nie genau wo wir am Ende landen. Oftmals ergibt sich auch das eine aus dem anderen, wenn wir zum Beispiel in eine Stadt ziehen, in der die Arbeit oder der/die Liebste sitzt. Aber was, wenn wir die freie Wahl hätten? Schauerliche Vorstellung!

Wir in der westlichen industrialisierten Welt sind heute doch weitestgehend frei in der Entscheidung, an welchem Ort der Erde wir unser Leben verbringen wollen. So viel, wie uns dieses Privileg vergönnt ist, so wenig wissen wir und auch ich oft damit anzufangen. Zu weit, zu heiß, zu fremd, zu "anders" wirken oft die anderen Länder und Orte, verlocken damit und verschrecken zugleich. Im Ergebnis verbleiben wir sodann bis auf einige Reisen meistens in der uns vertrauten Umgebung und wagen nicht den endgültigen Sprung in eine neue Umwelt, die ebenso sehr unsere Heimat werden könnte - vielleicht.

Vor einiger Zeit, einer gefühlten halben Ewigkeit, stellte sich mir diese Frage zum ersten Mal in derartiger Intensität: Wo will ich eigentlich leben? Ich verbrachte damals nach dem Abitur ein Jahr für einen Freiwilligendienst in Südamerika und spielte zwischenzeitlich ernsthaft mit dem Gedanken, auszuwandern. Im Juli 2005 kam ich zurück nach Deutschland, voll von Eindrücken beiderseits der Grenzen, nicht wissend wo eigentlich mein Platz auf der Erde für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sein sollte. Es fühlte sich in etwa so an (Auszug meiner Rundmail vom August 2005):

  Zwischen den Welten

„Guten Tag, herzlich willkommen an Bord der Lufthansa-Maschine .... Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug“. Es ist der 25. Juli, 14.30 Uhr; die Nachmittagshitze senkt sich über den Flughafen von Carracas, den ich gerade verlasse, und damit das letzte Stückchen Südamerika unter meinen Füßen. Nun tragen sie mich hinein in eine andere, mir von irgendwoher bekannte und zugleich fremde Welt. Die blonden Stewardessen in ihren dunkelblauen Kostümen lächeln mir freundlich entgegen, am Eingang erwartet mich die Frankfurter Rundschau; innen reden plötzlich alle nur noch Deutsch und ich weiß eigentlich gar nicht, wie mir geschieht.
Die letzten Tage in Ecuador waren zwiegespalten. Schön, durch die bis zum Schluss gleichbleibende unglaubliche Herzlichkeit meiner Gastfamilie; ich habe es noch einmal genossen, in ihrem Kreis sein zu dürfen, zu teilen, zu albern, zu lachen, zu weinen, zu umarmen und umarmt zu werden. Gleichzeitig war es furchtbar schwierig, traurig, angespannt, ein Daraufhinwarten auf den Tag des Abflugs, immer im Bewusstsein die bevorstehenden Abschiede und die Unsicherheit, was mich in den nächsten Wochen auf der anderen Seite dieses großen Ozeans erwarten wird. Und schließlich bin ich gegangen. Niemand sagte mir adios, sondern vielmehr hasta pronto – bis bald. 
Mit dieser Hoffnung im Herzen begebe ich mich auf die letzte Etappe meiner Reise. Der letzte venezolanische Zipfel unter mir verschwindet schon nach wenigen Minuten, von jetzt an nur noch das endlos blaue Meer..die Zeit scheint still zu stehen und schreitet doch voran..irgendwann wird es Nacht und nach 4 Stunden wieder hell, eine kurze Nacht war das, und schon fliegen wir den Frankfurter Hochhäusern entgegen, wie sie dort in den Himmel ragen wie eh und je, so als wären wir niemals weggewesen. Zollbeamten mit mürrischen Gesichtern lassen mich widerstandslos und ohne jeden Kommentar in meine Heimat einreisen, in der ich vorsichtig die ersten Schritte tapse, umringt von immer mehr blonden Menschen, die meine Sprache sprechen, vertraut und fremd zugleich, der ohne Vorwarnung und ganz plötzlich einfach so aufspringenden Ausgangstür entgegen. Damit hat das Märchen ein Ende. Auch ganz plötzlich und einfach so. Als hätte man soeben das Kind von der Nabelschnur seiner Mutter getrennt, so gibt es nun keine Verbindung mehr zwischen dem, wo ich nun stehe, und dem, wo ich herkomme. Zu verschieden sind die beiden Welten, und kaum kann ich fassen, dass sie sich auf ein und demselben Planeten befinden sollen.
Mein neues Zuhause ist groß. Riesig im Vergleich zu den Bambusbaracken der Küste oder den putzigen einstöckigen Häuslein inmitten der Anden; ich meine mich zu verirren. Warum ist alles so ordentlich? Die Wände so kerzengerade? Wo die Ameisenspuren an Wänden und Tischen, die juckenden Flöhe in meinem Bett, die ewig gackernden Hühner im Garten? Alles perfekt. Tagelang suche ich vergeblich nach dem so vertrauten Klopapiereimer und vergesse dafür die Anschnallgurte im Auto. Dem Auto, das nach drei Jahren noch immer wie neu duftet, in dem nichts klappert, die Kupplung kein herzzerreißendes Quietschen ausstößt, kein Metall am Rosten, kein Spiegel zerbrochen, kein Polster zerschlissen ist. Alles perfekt. Wir fahren einkaufen. Wie hatte ich mich auf die Schokolade gefreut, lieber Himmel; nun offenbart sich mir die gesamte Vielfalt und Einfaltskunst der gelobten Hersteller, und mir vergeht im Angesicht der neuerlichen Perfektheit tiptop eingeräumter und sortierter Regale ganz mir nichts dir nichts der Appetit. Und erscheint erst wieder beim Anblick der frisch aus Südamerika importierten, braun verschrumpelten Granadilla-Früchte in unserem Kühlschrank. Das war zuviel für den Anfang – Pause.
Sei es Tag oder Nacht, ich schließe die Augen und befinde mich in Ecuador. Zurück unter der hoch stehenden Äquatorsonne inmitten der grünen Berge, in denen es nach Maisfeldern duftet und den unverkennbaren Eukalyptusblättern, als Zunder zum Kochen verwendet über offenem Feuer. Zu hören nichts als das Gezwitscher der Vögel, die Sensen der Bauern, das Rascheln der Bäume, das Zirpen der Grillen in den sich im Winde wiegenden, von der Sonne verblichenen Gräsern. Im nächsten Moment liege ich im feinen weichen Sand, vor meinen Füßen entscheiden sich die Ausläufer der Wellen, mit weißer Gischt beschmückt, zum Rückzug; meine Augen tun es den zum Fischfang sich herabstürzenden Pelikanen gleich und versinken in der Bläue des endlosen Meeres. „Träumst Du?“ Eine mir bekannte Stimme erweckt mich aus meinem kleinen Ausflug und ich finde mich wieder in unserem Reihenhausgärtchen, die Nachbarskatze zu meinen Füßen. Die Mädchen von nebenan spielen wieder Verkaufslädchen, während die Mütter sich verständigen über die nächste Verabredung ihrer Kinder zum Tennis und den neuesten Pürierstab in ihrem Küchensortiment. Aus irgendeinem Grund warte ich vergeblich auf eine spanische palabra, die, so meine ich, aus reiner Selbstverständlichkeit doch irgendwann einmal erklingen und dem Traum, in dem ich durch deutsche Supermarktregale laufe, in makellosen Autos fahre und die krummen Hauswände vermisse, ein Ende bereiten müsse.
Kurz und gut hätte ich die Eindrücke auch so zusammenfassen können: Langweiliges, schnödes Deutschland - irrsinnig spannende weite Welt! Ich frage mich manchmal, was passiert wäre, hätte ich das Leben in Europa tatsächlich gegen ein Leben in Ecuador getauscht. Wäre ich dann jetzt glücklicher als hier? Befreiter von all den Zweifeln und Zukunftsängsten? Gelassener vielleicht, ein anderer Mensch...?

Niemand kann mir diese Frage beantworten, doch ich erinnere mich an einen oft gebrauchten Satz, der, so meine ich, viel Wahres enthält: Wo auch immer wir hinziehen und reisen, haben wir dabei immer uns selbst im Gepäck. Der Weg zum Erwachsensein führt also nicht zwangsweise über die Wahl des richtigen Ortes - oder doch? Orte können prägen, soviel steht fest. Und ein jeder von uns hegt andere Prioritäten, andere Ansprüche an den vermeintlich besten Ort zum Wohnen, Leben, Glücklichsein. Vermutlich gibt es ihn auch nicht, den perfekten Ort. Ebenso wenig wie ich mir "den einen" vollkommenen Partner vorstellen mag, glaube ich, dass wir an vielen Orten ein gutes Zuhause finden können, ja sogar müssen, sind wir doch vielmehr gezwungen, ständig flexibel zu bleiben, bereitwillig jederzeit im Ausland zu arbeiten, und sei es auch wochen- und monatelang fern der eigenen Familie. Und doch bleibt es eine zentrale Lebensaufgabe. Heimat, wo steckst du?

De-platzierte Grüße, C.


What it`s all about

Verehrte LeserInnen (und die, die es vielleicht noch werden wollen),


das bin ich:
jung, aber nicht mehr ganz so (geb. 1984)
eher weiblich als männlich
noch-Studierende eines unnützen Fachs (würde Oma sagen; andere halten es sogar für zukunftsfähig)
arbeitsbereit innerhalb des nächsten Jahres (hoffentlich)
1 Ehemann, 0 Kinder (noch nicht)
1 Vater, 0 Mutter, 0 Geschwister

das suche ich:
Antworten auf die großen Fragen
Orientierung in jeder Hinsicht
Auf-beiden-Beinen-im-Leben-stehen (oder so)

das biete ich:
viele Fragen und Zweifel
Denkanstöße und Ansichten (aktuelles Tagesgeschehen nicht ausgeschlossen)
keine Antworten (höchstens in Ansätzen - ich überlasse es generell dem Leser, für sich die ein oder andere Antwort daraus zu ziehen)

zu folgenden Themen (erweiterbar):
Erwachsenwerden und -sein: wie kann das gehen, was bedeutet das, und was nicht?
Berufseinstieg: Studienabschluss, die erste Bewerbung, das erste Interview, der erste Job
Familie & Beziehungen und die berühmte Vereinbarkeit mit dem, was man heute Karriere nennt
gut leben - "Nachhaltigkeit" für mich, für uns, für andere
(Über-)Lebenskunst

All diejenigen, die meinen momentanen Lebensabschnitt teilen oder diesen schon hinter sich gebracht haben - ob erfolgreich oder nicht - seien herzlich eingeladen, ihre Erfahrungen und Ansichten hier mit mir zu teilen.

Alle Redakteure, die sich so gerne über das viel diskutierte Phänomen der "Quaterlife Crisis" auslassen und sich angestrengt darum bemühen, die heutige "Generation Praktikum" mitsamt ihren Zweifeln und Sorgen ein wenig besser zu verstehen, mögen aus diesem Blog noch die ein oder andere neue Erkenntnis fischen.

Alle anderen dürfen natürlich bleiben, solange sie wollen.

Herzlichst, C.